MUSEUM TINGUELY BASEL
«Women first»
18.15 – 19.10 Uhr
Saison-Eröffnung mit Brass Battle – Gratiskonzert
Draussen beim Eingang des Museums
2 Brassbands spielen in der Competition:
street bandits & Brass-Department
Konzerte im Museum Tinguely (kostenpflichtig):
19.30 Uhr
Lisette Spinnler Duo
21.00 Uhr
Eva Klesse Quartet
Lisette Spinnler (vocals) | Christoph Stiefel (piano)
Offizielle CD-Taufe!
Eine Stimme, die gelegentlich zur Trompete mutiert, ein akzentuiert und lyrisch gespieltes Klavier mit da und dort fein präparierten Saiten und eine ganz in sich gekehrte, fast durchwegs langsame, nachdenkliche, überaus intime und fragile Musik, die unsere Ohren und Seele – bei aller Ruhe, die sie verströmt – eindringlich, zärtlich und gleichzeitig voller Intensität berührt: Lisette Spinnler und Christoph Stiefel spielen seit 2008 im Duo, und nach "Bima Sakti" (2011) ist mit "The Heartbeat Of A Bird" ihr zweites gemeinsames Album erschienen.
Der Titel der Platte meint nicht das markant schnell schlagende Vogelherz, sondern das Leben an sich, die Vergänglichkeit, den Kreislauf der Natur – und deren zunehmende Gefährdung. Ein Rotkehlchen in der Hand und der am Himmel kreisende mächtige Milan stehen für Zerbrechlichkeit und Freiheit. Beides ist zentral in der Musik dieses Duos. Doch wie der Milan nicht um der Freiheit willen, sondern zur Nahrungssuche hoch über dem Boden kreist, ist auch die Freiheit in der musikalischen Improvisation relativ und nicht Selbstzweck. Wie der Vogelflug physikalischen Gesetzen, unterliegt die Improvisation musikalischen Voraussetzungen und Kriterien und hat zum Ziel, in Jetztzeit neue, ungehörte Klänge zu kreieren und das Publikum an diesem Schöpfungsprozess teilhaben zu lassen.
Die Freiheit lässt die Vokalistin und den Pianisten Musik im Moment erfinden, aus dem Augenblick und ihrem manchmal wortlosen Zwiegespräch heraus, das zuweilen riskiert, an den Rand zu führen, sich zu verlieren und zu zerbrechen – was freilich an keiner Stelle passiert. Gleichermassen spricht aus dem offenen Dialog eine eigene Spannung und lässt die Musik unmittelbar und direkt klingen.
Nebst vier "frei" improvisierten und drei bestehenden eigenen Songs hat das Duo Krzysztof Komedas "Sleep save and warm" – für Roman Polańskis Film Rosemary's Baby ge-schrieben – und drei Standards aufgenommen: "Body and Soul", von dem unter unzähligen Versionen diejenige des Trompeters und Sängers Chet Bakers wohl eine der tiefgründigsten ist, "Blue in Green" (Miles Davis, Lyrics Cassandra Wilson) und "I fall in love too easily", von Jule Styne mit den Lyrics Sammy Cahns aus den frühen Vierzigern.
Ob Improvisationen, eigene Kompositionen oder charakteristische Standards, denen sich das Duo gleichermassen und ganz im Duktus seiner eigenen Sprache hingibt: "The Heartbeat Of A Bird" wirkt wie aus einem Guss und ist – weniger cool und nüchtern zwar – vielleicht am ehesten mit einem Album wie "The Newest Sound Around" des Duos Jeanne Lee und Ran Blake aus den frühen Sechzigern vergleichbar: gewissermassen ein zeitgenössisches Kunstlied. Die grosse Vertrautheit des Dialogs, den Lisette Spinnler und Christoph Stiefel seit Jahren führen, seine Intimität und Zerbrechlichkeit, die Freiheit ihres Ausdrucks, Schlichtheit und Ausstrahlung: Darin liegen Reichtum und Kraft, die Schönheit, der Reiz und letztlich das Mysterium ihrer Musik.
Eva Klesse Quartet
Songs ohne Worte gehen mitten ins Herz, gerade weil sie wenig festlegen. Ob es groovt, Akzente setzt, Energie steigert, ob es federnd, zart oder kraftvoll Geschichten erzählt, schon nach wenigen Tönen ist Eva Klesses rhythmische und kompositorische Handschrift erkennbar. Eine warme Stimmung prägt die Musik, mit viel Freiheit für die exzellente Band. Die puristische und dabei selbstbewusste Art, mit der Klesse die Musik ihres erweiterten Quartetts zusammenhält, spiegelt ihre klare Haltung wider. Wenn die Schlagzeugerin darüber spricht, was Musik vermag, nämlich Einsamkeit vertreiben, Menschen verbinden, Verständnis für andere Kulturen und Lebensweisen schaffen, wird deutlich: Was könnte heute wichtiger sein?
Erste Instrumentalprofessorin Deutschlands
Vielleicht noch Nachwuchsförderung. Die 36-jährige hatte selbst zunächst Medizin studiert, bevor sie sich dafür entschied, mit Klängen mehr bewirken zu können. Eva Klesse ist eine Pionierin, die vor fünf Jahren Furore machte als erste Instrumentalprofessorin Deutschlands – in Hannover.
Wer so intensiv zuhören und das Beste aus seinen Kolleg:innen und aus dem Moment herausholen kann, hat auch Mut zur Stille, zur Pause, zum Raum. So bringt Eva Klesse, nach der für Musiker:innen so herausfordernden Pandemiezeit ein meisterhaftes Album wie dieses heraus: locker und frei, authentisch, spannend, ein Fest für Ohren und Seele.